Hydrogenantrieb / Brennstoffzellen Info’s :

82 PS – und aus dem Auspuff tropft nur Wasser!
Mit einem Brennstoffzellen-Zafira geht AUTO BILD auf Europa-Tour. Mit den Ingenieuren von General Motors will man nun wirklich nicht tauschen: Immer müssen sie verzichten. Verzichten auf bedeutende Bauteile, zum Beispiel auf eine Batterie. Verzichten, um Gewicht zu sparen. Verzicht, Verzicht, Verzicht! Nennen wir es doch lieber "Fortschritt", das klingt doch gleich viel freundlicher. Schließlich arbeiten die 600 Männer und Frauen von GM an unserer Zukunft – an einem Auto, das ohne Benzin fährt; aus dessen Auspuff nur ein bisschen Wasser tropft; das Partikelfilter und Treibhausgase plötzlich so antiquiert klingen lässt wie das Wort Dampfmaschine.
AUTO BILD darf die Zukunft von General Motors schon jetzt fahren. Gemeinsam mit der Opel-Mutter schicken wir HydroGen3 auf Europa-Tour, einen Opel Zafira, der mit Wasserstoff und Brennstoffzelle angetrieben wird. Über 10.000 Kilometer wird der Van zurücklegen, von Hammerfest in Norwegen bis Lissabon in Portugal. Der Startschuss zur Test-Tour fällt am 3. Mai in Nordnorwegen. Station macht der Prototyp in 14 Großstädten, darunter in Hamburg, wo der Wagen am 13. Mai ankommt. Einen Tag später zeigt der Autohersteller in der Hochschule für angewandte Wissenschaften eine Ausstellung zum Thema Wasserstoff und wie HydroGen3 funktioniert.
Von außen sieht der Opel aus wie jeder andere Zafira, aber unter der Motorhaube hat bereits das nächste Jahrzehnt begonnen. Das wird dann voraussichtlich das Wasserstoff-Zeitalter sein. Der Name des Vans beschreibt nichts anderes: HydroGen3 – wobei Hydro, aus dem Griechischen übersetzt, Wasser heißt, Gen3 für die dritte Generation des Fahrzeugs steht. Seit der Vorstellung des Ur-Modells im Frühjahr 2000 konnten Zahl und Größe der Bauteile so verringert werden, dass der komplette Antrieb unter die Motorhaube passt.

Der Versuchs-Zafira ist mit einem superisolierten Tank ausgestattet, der unter der Rückbank steckt. Die dritte Sitzreihe mit zwei zusätzlichen Sitzen fällt im Wasserstoff-Van flach. Auf der AUTO BILD-Test-Tour wird ein Tankwagen den Spezialbehälter des Versuchsfahrzeugs mindestens einmal pro Tag mit minus 253 Grad kaltem Wasserstoff füllen müssen, ein Tankstellennetz gibt es noch nicht.
Die Brennstoffzelle sitzt im Zentrum des Motorraums und ist nicht größer als ein Computer-Tower. In dieser Box reagieren Sauerstoff und Wasserstoff zu Wasser. Dabei entsteht Wärme – und vor allem Strom, der den 82 PS starken Elektromotor antreibt. Fußgänger hören nur ein Zischen, wenn der Zukunfts-Zafira vorbeifährt. So still und heimlich verschwindet leider auch der Wasserstoff aus dem Tank. Ein Problem, an dem die Wissenschaftler noch arbeiten. Denn wenn das Auto länger als zwei oder drei Tage steht, verdampft ein Teil des flüssigen Wasserstoffs.
Dieser so genannte "Boiloff"-Effekt spielt auf unserer Tour durch 14 Länder aber keine Rolle. Denn der Zafira fährt bis zum 11. Juni täglich bis zu 850 Kilometer. Eine der ersten Langstrecken-Erprobungen, die übrigens nicht von Ingenieuren gefahren wird, sondern von Journalisten.

GM-Vize-Forschungs- und Entwicklungschef Larry Burns spricht im AUTO BILD-Interview über Chancen und Zukunft der Brennstoffzelle.
AUTO BILD: Seit Jahren versprechen uns die Autohersteller, dass wir "in naher Zukunft" mit Brennstoffzellen statt Otto- und Dieselmotoren fahren werden. Wann geht's nun endlich los? Burns: Notwendige Bedingung ist, dass genügend Wasserstoff-Tankstellen existieren. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Produktkosten. Heute kostet ein Brennstoffzellen-Antriebssystem ungefähr zehnmal so viel wie ein moderner Verbrennungsmotor, also zirka 500 Dollar pro Kilowatt Nennleistung. Dies müssen wir auf 50 Dollar pro Kilowatt reduzieren, um wettbewerbsfähig zu sein.

Wann, denken Sie, sind Sie so weit, dass ein Brennstoffzellen-Auto für jedermann bezahlbar wird? Wir schätzen, in sechs bis zehn Jahren.

Was unterscheidet den Hydro-Gen3-Zafira von anderen Brennstoffzellen-Prototypen? Der HydroGen3 besitzt keine Pufferbatterie mehr. Die Brennstoffzelle versorgt hier direkt den Elektromotor mit Strom. Das spart 100 Kilo Gewicht und natürlich Kosten. Außerdem können wir die fünfsitzige Anordnung, den Laderaumboden sowie den Kofferraum mit seinen 600 Litern erhalten.

Arbeiten Sie in der Entwicklung mit dem kanadischen Brennstoffzellen-Hersteller Ballard Power zusammen, wie es Ford und DaimlerChrysler tun? Nein, wir entwickeln unsere eigenen Brennstoffzellen-Stacks (Zellen-Membran-Pakete), weil diese das Kernelement der Technologie darstellen. Nur wenn wir alle Aspekte der Funktionsweise verstehen, können wir auch weiterhin Fortschritte und Wettbewerbsvorteile erzielen.

Wie lang soll die Betriebsdauer einer Brennstoffzelle sein? Unsere Kunden werden nur dann Brennstoffzellen-Fahrzeuge kaufen, wenn diese eine vergleichbare Lebensdauer zu Verbrennungsmotoren erreichen. Deshalb ist unser Ziel, 5500 Betriebsstunden zu erreichen, was einer Laufleistung von 150.000 Meilen (240.000 Kilometern) entspricht.

Und wie weit kann ich mit einer Wasserstoff-Füllung fahren? Das hängt stark vom Fahrprofil ab. Wir haben bereits Testzyklen absolviert, bei denen wir 400 Kilometer mit einer Tankfüllung zurückgelegt haben.

Selbst wenn in zehn Jahren ein kleiner Prozentsatz der Autofahrer mit Brennstoffzellenantrieb unterwegs ist – lohnt eigentlich der ganze Aufwand? Aber selbstverständlich. Wir stehen am Anfang einer neuen revolutionären Antriebsgeneration. Absolut sauber und äußerst effektiv. Der Brennstoffzelle gehört die Zukunft.

DaimlerChrysler ist schon mit einigen Brennstoffzellen-Fahrzeugen im Markt. Sind die besser als GM? Der Erste ist nicht immer der Beste. In diesem Fall wird das derjenige sein, der Millionen Fahrzeuge verkauft und Geld damit verdient. Das ist unser Ziel.

Wer ist denn technologisch zur Zeit am weitesten? GM und Toyota.

Welche Nation wird Ihrer Meinung nach das "Land der Brennstoffzelle"? Europa und die USA sind die Favoriten. Aber ich denke auch, dass China dazu gehören wird. Die Chinesen wollen keine alte Technologie von uns importieren. Die stehen auf Hightech, in allen Bereichen. Denken Sie nur ans Telefon. Es gibt doch in China praktisch keine herkömmlichen Telefonleitungen – und sie werden auch nicht verlegt. Wozu auch? Die Menschen dort machen gleich einen großen Sprung, vom "Null-Telefon" direkt zum Handy. Ähnlich wird es auch mit der Brennstoffzelle funktionieren.

Wann begann General Motors, sich ernsthaft mit der Brennstoffzelle zu befassen? Wir haben 1968 einen Van damit ausgerüstet. Der gesamte Laderaum war voll gestopft mit Technik. Heute können wir mehr Leistung installieren, ohne dass Sie etwas davon sehen.

"Wasserstoff ist gefährlich, teuer und schädlich." Wer das behauptet, weiß es nicht besser. Die acht größten Vorurteile:

Wasserstoff ist gefährlich. Schließlich hat er zur Explosion des Luftschiffs "Hindenburg" geführt. Die Angst vor Wasserstoff ist unberechtigt. Denn Ursache des Unglücks waren nicht die Wasserstoffvorräte an Bord, sondern die brennbare Farbe der Zeppelin-Außenhülle. Aufgrund eines Gewitters war das Luftschiff elektrisch geladen. Ein übergesprungener Funke setzte den Zeppelin in Brand.

Brennstoffzellen-Autos sind langsam und bieten keinen Fahrspaß. Brennstoffzellenfahrzeuge werden von Elektromotoren angetrieben, deren maximales Drehmoment bereits aus dem Stand heraus zur Verfügung steht. Deshalb brauchen sie auch kein mehrstufiges Getriebe. Sie beschleunigen flott und gleichmäßig ohne Schaltstufen.

Der Wasserdampf aus den Auspuffrohren von Wasserstoff-Autos führt zu Glatteis auf den Straßen. Beim Modell HydroGen3 tropfen pro Kilometer nur 118 Gramm Wasser aus dem Auspuff – weniger als ein halbes Stück Butter. An Kreuzungen mit hohem Verkehrsaufkommen wäre es denkbar, dass Massen von Autos bei Temperaturen weit unter null für Glätte sorgen. Die Wissenschaftler arbeiten schon an einer Lösung.

Der Brennstoffzellen-Antrieb hält nicht so lange wie ein Verbrennungsmotor. Die Brennstoffzelle soll eine Betriebsdauer von mindestens 5500 Stunden erreichen. In km-Laufleistung umgerechnet, sind das etwa 240.000 Kilometer. Dies entspricht laut Opel den Anforderungen, die die meisten Hersteller an einen Verbrennungsmotor stellen.

In der kalten Jahreszeit springen Brennstoffzellen-Autos nicht an. Brennstoffzellen stellen auch bei Temperaturen unter null Grad ihre volle Leistung zur Verfügung. Allerdings muss bei Minusgraden sichergestellt werden, dass sich nach dem Abschalten kein Wasser mehr in den Zellen befindet. Wasser dehnt sich bekanntlich bei Frost aus und könnte so möglicherweise Zellen beschädigen. Ein Brennstoffzellen-Auto soll auch noch bei minus 40 Grad starten, bevor es in Serie geht.

Brennstoffzellen-Fahrzeuge werden viel mehr kosten als heutige Autos. Das ist tatsächlich noch einer der Knackpunkte: Hochgerechnet auf eine Stückzahl von 100.000 Autos pro Jahr, kostet die Brennstoffzellen-Technik heute noch zehnmal so viel wie ein vergleichbarer Verbrennungsmotor. Aber alle Hersteller versuchen, die Kosten zu senken. Das Ziel: Ein Kilowatt Leistung darf nicht mehr kosten als 50 Dollar, umgerechnet also rund 42 Euro. Ein Betrag, der den Kosten von Verbrennungsmotoren in etwa entspricht.

Mit Brennstoffzellen-Autos darf man nicht in Tiefgaragen fahren. Es gibt bislang kein Gesetz, das dies den Fahrern verbietet. Nicht verwunderlich, denn es rollen ja nur wenige Versuchsfahrzeuge durch unsere Straßen. Grundsätzlich gibt es beim Parken in Tiefgaragen kein Problem. Da Wasserstoff leichter ist als Luft, flüchtet es nach oben – genauso wie Erdgas. Anders dagegen bei Flüssiggas-Autos. Denen ist es verboten, in Tiefgaragen zu parken. Denn bei einem Leck im Tank sammelt sich das Propan-Butan-Gemisch am Boden, ist entzündlich und macht im schlimmsten Fall bewusstlos.

Brennstoffzellen-Autos kommen nicht vor 2050 auf den Markt. Mercedes-Benz, Fiat, Toyota, Opel – fast alle Hersteller sammeln Erfahrungen mit Versuchsfahrzeugen. General Motors verspricht, ein Brennstoffzellen-Auto bis 2010 zur Serienreife zu bringen.

(Quelle: Autobild.de)